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Mittwoch, 18. Juli 2012

Australische Dokumentation als CD verkauft: 25 Jahre Haft?

Nun, es handelt sich nicht um einen Copyright-Verstoß, durch den eine solche Strafandrohung im Raum steht. Sondern es handelt sich um eines der schärfsten Zensurgesetze auf der Welt, der Kombination des {vom Europäischen Gerichtshof als nicht mit Menschenrechten vereinbar erklärte} Lèse Majèsté mit dem thailändischen Computerstrafgesetz und dem Gesetz zur Kontrolle von Film- und Videowerken. Wer irgendwelche Nachrichten verbreitet, die für das monarchistische System in Thailand gefährlich werden könnte, dem drohen Jahrzehnte Gefängnis unter besonders schweren Bedingungen. Mit Fußketten wie im Mittelalter, Vorenthaltung von angemessener medizinischer Betreuung, Markierung als „Vogelfrei“ für andere Gefangene usw. Obwohl hunderte in thailändischen Gefängnissen wegen „Beleidigung der Monarchie“ in Haft sitzen, behauptet die US-Regierung es gäbe keine politischen Gefangenen in Thailand. Im vorliegenden Beispiel wird einem Mann vorgeworfen, Video-CDs verkauft zu haben, die eine australische Fernsehdokumentation über Thailands Monarchie enthielt.

Akachai Hongkangwan, ein 36-jähriger Mann, der sich mit Straßenhandel mehr schlecht als recht durchschlägt, steht vor einer möglichen Verurteilung zu 15 Jahren Gefängnis wegen „Majestätsbeleidigung“ zuzüglich zu möglicherweise 10 Jahren oder mehr, weil er das Verbrechen mit Hilfe eines Computers begangen hat. Außerdem droht ihm (in Thailand ist das möglich) eine zusätzliche Strafe wegen Verstoß gegen Artikel 54, der die Zensur von Filmen und Videoproduktionen regelt.

Ihm wird vorgeworfen, Video-CDs vertrieben zu haben, auf die er Kopien einer Sendung der Australian Broadcasting Corporation (ABC) gebrannt hatte. Eine Sendung, die im Rahmen der Auslandskorrespondenten-Serie erstellt worden war. Der Angeklagte hatte sie während einer Demonstration von Demokratieaktivisten im März 2011 verkauft. (1)

Die Sendung mit dem Namen „Lang lebe der König“ war im April 2010 in Australien ausgestrahlt worden. Die Sendung stellt einige bekannt gewordene Fälle von Lèse Majèsté vor, darunter den Fall von Chiranuch Premchaiporn, Moderatorin einer Webseite, auf der monarchiekritische Kommentare veröffentlicht worden waren. Dann war da der Fall des Bruders der verurteilten Lèse Majèsté-Gefangenen Darinee Charnchoensilpakul (Da Torpedo), der wie seine Schwester inzwischen durch ein Scheinverfahren (wegen anderer Delikte) verurteilt worden war. Und es gibt den Fall von Chotisak Onsung, der 2008 wegen Majestätsbeleidigung angeklagt worden war, weil er sich geweigert hatte, bei der Hymne des Königs, die im Kino immer vor einem Film gespielt wird, aufzustehen.

Den Behörden Thailands aber besonders unwillkommen dürfte eine Darstellung des Kronprinzen Vijiralongkorn gewesen sein. Und der Reporter Mark Corcoran hatte wohl die Schwierigkeiten, die durch die Sendung entstehen würden schon vorausgeahnt, als er erklärte:
„Wie kann man die Geschichte der thailändischen Monarchie erzählen, wenn jede Art von geringster Kritik der Royals zu einer schweren Gefängnisstrafe in diesem Land führen kann? … Thailand ist jetzt an einem Scheideweg angelangt, und wir haben festgestellt, dass es Zeit ist, die Gesetze einer genauen Untersuchung zu unterziehen, ebenso wie die Rolle der Gesetze für die thailändische Monarchie.“
DAS VERSAGEN DER MEDIEN, NICHT DER JOURNALISTEN

Bevor die Sendung in Australien ausgestrahlt worden war, hatte die ABC ihr Büro in Bangkok aufgegeben, und der verantwortliche Journalist Eric Campbell erklärte, dass „dies eine Geschichte ist, die eigentlich nur von Menschen erzählt werden kann, die nicht in Thailand leben und arbeiten“. Für ihn wäre der Nachteil … „dass er wohl nie mehr nach Thailand zurück gehen kann“.

Dieses Schicksal teilt er bisher mit allen Journalisten und Autoren, die es gewagt hatten, die Wahrheit zu schreiben. Da wäre Paul Handley, der Verfasser von "The King never Smiles". Da ist der "ZenJournalist" Andrew McGregor  Marshall, der sogar seinen gut bezahlten Job bei Reuters aufgeben musste, um endlich die Wahrhheit schreiben zu können, und nun in Thailand mit langen Gefängnisstrafen rechnen müsste, würde er jemals zurück kehren. Oder da ist Giles Ji Ungpakorn, ein Politikwissenschaftler, der ins Exil floh, als seine eigene Universität, die Chulalongkorn, ihn wegen eines Buches angezeigt hatte, und die Mühlen der Justiz begonnen hatten zu arbeiten. Oder da ist der BBC-Korrespondent Jonathan Head, den sein Arbeitgeber aus Thailand abzog, als 5 Klagen wegen Majestätsbeleidigung gegen ihn in Vorbereitung waren. Die Liste ließe sich noch um drei oder vier Personen erweitern. Aber leider nicht mehr. Denn ansonsten wagt es niemand, die Wahrheit öffentlich auszusprechen. Der einzige thailändische Journalist, der ab und zu andeutete (!), was die Wahrheit in Thailand war, Pravit Rojanaphruk, wird seit dem letzten Monat nun auch mit Anklagen wegen Lèse Majèsté verfolgt.

ABC UND DIE REUE

Nachdem der Film nun offiziell nicht mehr von der ABC verbreitet wird, ist auch das Büro der ABC mit neuem Personal wieder bezogen worden. Akachai war einer der sehr wenigen Glücklichen, die nach der Anklage auf Kaution vorläufig wieder auf freien Fuß gesetzt worden war. Um die ABC von seinem Fall zu informieren, wandte er sich an das lokale Büro. Die Antwort: „Geh weg und sei froh, dass wir dich nicht wegen Copyrightvergehen belangen“.

Im Juli 2011 schrieb dann die alte, entlassene ABC-Crew an ABC Australien. Die ehemaligen Mitarbeiter waren besorgt, dass der Fall Akachai in Australien unbemerkt bleiben könnte, und befürchteten auch für sich selbst eine Strafverfolgung. Und sie baten ABC eine Öffentliche Erklärung abzugeben. Sie baten darum, dass die ABC erklären sollte, dass der Bericht in keiner Weise beleidigen wollte, aber dass eine angemessene Kritik normales journalistisches Vorgehen wäre. Sie erhielten nie eine Antwort auf ihre Bitte.

Während jeder, der sich für Akachai in Thailand einsetzt, automatisch auch das Stigma eines Verbrechers wider Lèse Majèsté auf der Stirn trägt, wäre es für ABC kein Problem, für ihn einzutreten, weil der Sender das Stigma schon trägt. Aber offensichtlich versucht er es verzweifelt wieder abzuschütteln. Ohne Interviews und Stellungnahmen von Regierungsmitgliedern oder in der Öffentlichkeit stehenden Menschen zu erhalten, ist es schwierig, eine Berichterstattung in einem Land aufrecht zu erhalten. So hatte man auch schon den mit Preisen überhäuften Journalisten Dan Rivers wieder aus dem Land gegrault. Er hatte zwar nichts über den König gesagt, aber über das Vorgehen des Militärs, z.B. bei der "Entsorgung" von Rohingya Bootsflüchtlingen berichtet.

DAS VERSCHWINDEN DER BEWEISE UND NEUSCHREIBEN DER GESCHICHTE

Durch Zusammenarbeit des thailändischen Staates und YouTube, Facebook und Twitter wurden hochgeladene Videos mit dem ABC-Beitrag inzwischen gelöscht oder blockiert. Auch auf der ABC-Webseite findet man kein Video mehr. Angeblich soll man es ausschließlich von Australien aus noch sehen können. Aber Bekannte konnten das nicht bestätigen. Die nach Megaupload geladene Datei von Demokratieaktivisten wurde durch die US-Behörden unzugänglich gemacht. (FBI-ANTI-PIRACY-WARNING). Das Internet ist schon heute fast perfekt politisch kontrolliert. Nur auf den Straßen von Bangkok, wenn man sich gut kennt, und vertraut, kann man diesen Film noch erhalten.

Noch schlimmer ergeht es den tausenden von Handy-Videos, die die Verbrechen der thailändischen Armee während der blutigen Niederschlagung der Demonstrationen im Mai 2010 dokumentierten. Ein Clip nach dem anderen verschwindet aus YouTube. Noch sind es einige hundert. Aber man kann quasi zusehen, wie die Anzahl immer kleiner wird. Tausende von Beamte der Zensurbehörde und freiwillige Aktivisten der "retroradikalen" (Handelsblatt) Bewegungen verfolgen systematisch jeden Interneteintrag.

Somit wird es immer unwahrscheinlicher, dass die Verbrechen z.B. von 2009 und 2010 einmal aufgeklärt werden, obwohl sie zu den am besten dokumentierten Menschenrechtsverbrechen der Geschichte zählen. Aber insbesondere da der Westen keinerlei Initiative dazu leistet, dass irgendeine internationale Behörde diese Verbrechen verfolgt. Im Gegenteil wurde der Versuch, eine Petition beim IStGH einzureichen, seit ca. 2 Jahren dort nicht bearbeitet. Zwar hat Thailand die Konvention über den Internationalen Strafgerichtshof für Menschenrechte nicht unterzeichnet, ebenso wenig wie die USA, aber der Premierminister, der den Militäreinsatz legitimierte, ist im Besitz einer britischen Staatsangehörigkeit. Was es dem Strafgerichtshof ermöglicht hätte, seine Jurisdiktion zu erklären, wenn vom Westen der politische Wille dazu bestehen würde.

FAZIT:

Thailändische Aktivisten erklären mir, dass sie die Nase voll haben von der Heuchelei und doppelten Moral des Westens. Sie fühlen sich alleine gelassen und sind verbittert. Im Süden des Landes kämpfen Aufständische mit täglichen Anschlägen für eine Autonomie der Anfang des letzten Jahrhunderts von Thailand annektierten Provinzen, ein Nachhall der Kolonialzeit. Und der Norden und Nordosten wurde nur still gehalten, weil eine Regierung zugelassen wurde, die den Willen der Mehrheit der Bevölkerung respektierte. Diese Regierung hat jedoch keinerlei Macht gegenüber dem Militär und den mit ihm kooperierenden Gerüchten. Und so kann es im Pulverfass Thailand schnell wieder zu einer Explosion kommen.

Wer in Thailand die Wahrheit verbreitet, wird mit Verfolgung und Gefängnis bestraft, wer unbewaffnete Demonstranten erschießt, befördert. So wie schon 1973, 1976, 1992, 2009, 2010 und demnächst ….?





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