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Sonntag, 12. August 2012

CIB Seminar Nukleare Abrüstung 1. Tag

Der erste Tag des CIB-Seminars „Nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle“ (1) stand ganz unter dem Eindruck von Darstellungen der historischen Entwicklung der Kernwaffen. (Einzelheiten siehe Wikiseite) Hier meine ganz persönlichen und einseitigen Eindrücke. Es war sehr interessant noch einmal von Persönlichkeiten, die direkt an der späteren Nachkriegsentwicklung beteiligt waren, über die geschichtliche Entwicklung informiert zu werden. Leider ist der Teil der Geschichte nach 2001 deutlich zu kurz gekommen. Denn der Nuclear Posture Review von 2001 bedeutete eine totale Abkehr von der bis dahin gültigen Theorie und Doktrin der USA, wurde aber nicht erwähnt, ebenso wenig wie die vollkommene Umdefinition der Aufgaben des US Strategic Command Headquarters (USSTRATCOM) in Nebraska und der Veränderung in der Strategie. Und so kam eine Diskussion mit unterschiedlichen Einschätzungen auch erst bei der Beurteilung der momentanen Lage auf.



DIE VERPFLICHTUNGEN AUS DEM ATOMWAFFENSPERRVERTRAG

Prof. Krause vertrat z.B. die Ansicht, dass die Kernwaffenmächten ihren Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag (1) nachgekommen wären. Ich war der Meinung, dass dies nicht der Fall wäre, da sie keine wirklich ernsthaften Anstrengungen zur Abrüstung gemacht hätten. Was deutlich durch die Geheim-Veranstaltung des US-Verteidigungsministeriums vom 6. August 2003 wurde. Damals diskutierte das US-Militär mit allen wichtigen Zulieferern eine Strategie um die Kernwaffen zu modernisieren und schlagkräftiger zu machen. Und der US Kongress bewilligte dann auch 2003 noch ein Programm, damit das US-Militär mit dem Industriellen Komplex Kernwaffen für konventionelle Kriegsszenarien entwickeln konnte. Im Dezember 2003 schließlich wurden 6,3 Milliarden US-Dollar für die Entwicklung bewilligt. Um nur Beispiele zu nennen. Ich kann das nicht als Abrüstung ansehen.

Weiterhin erklärte Prof. Krause, dass die Kernwaffenmächte allen Nichtatomstaaten, die den Atomwaffensperrvertrag unterzeichneten, eine Garantie gegeben hätten, keine Nuklearwaffen gegen sie einzusetzen. Nun wurde aber auch diese Vereinbarung m.E. nicht eingehalten, wie ich einwarf. In einer Pressekonferenz des Verteidigungsministeriums hatte der Sprecher erklärt:
„[The] Air Force would use the B61-11 [nuclear weapon] against Libya’s alleged underground chemical weapons plant at Tarhunah if the President decieded that the plant hat to be destroyed….”
M.E. ist das das Gegenteil einer Garantie, nicht mit Kernwaffen einen Nichtkernwaffenstaat anzugreifen. Und die Drohung war nicht nur deutlich in Libyen zu hören, sondern überall in der Welt. „Wenn der Präsident den Einsatz von Atomwaffen befiehlt, werden sie eingesetzt“. Das war die Nachricht. Jedes Land, dass sich in Widerspruch zu den USA begibt, muss mit dem Schlimmsten rechnen. So wurde die Nachricht verstanden. Selbst wenn sie nicht so gemeint war. Es gibt weitere Beispiele für solche Äußerungen.

Prof. Krause erklärte, dass nur der Präsident der Vereinigten Staaten eine Erklärung abgeben könne, die die Garantie des Nichteinsatzes von Nuklearwaffen gegen Nicht-Kernwaffen-Staaten widerruft.

KRITIK AM ATOMWAFFENSPERRVERTRAG

In einem immer größer werdenden Teil der arabischen und asiatischen Welt wird der Atomwaffensperrvertrag als eine Erpressung angesehen, mit denen die Kernwaffenmächte, allen voran die USA, versuchen, ihre Vormachtstellung zu erhalten, und Druck auf andere Länder auszuüben.

Prof. Krause vertrat die Auffassung, dass etwas Drängen und Drücken durch die Kernwaffenmächte zu Beginn wohl eine Rolle gespielt hätte. Aber das wäre in der Realpolitik so. Die Welt benötige manchmal Anführer, die etwas mit milder Gewalt erzwingen. Und schließlich wäre es ja nicht nur im eigenen Interesse gewesen, sondern im Interesse aller Länder.

Ich hatte darauf im Interesse der Diskussion nicht geantwortet, frage mich aber, ob nur ich einer solchen Politik skeptisch gegenüber stehe, oder ob nicht auch die Mehrheit der Mitglieder der Piratenpartei eine demokratischere Vorgehensweise vorziehen würden.

Auf die Kritik an der Wirksamkeit des Atomwaffensperrvertrages wurde dann von Frau Dr. Schaper eingeworfen, dass der Vertrag sehr wohl funktioniert hätte, da an vielen Beispielen gezeigt wurde, dass Länder von Bestrebungen, die Kernwaffen zu erhalten oder zu behalten, abgehalten werden konnten. Meine Antwort darauf, die ich ebenfalls im Interesse der Flüssigkeit der Diskussion nicht gegeben habe ist: Mit einem anders zustande gekommenen Atomwaffensperrvertrag wären diese Länder, die man mühsam von dem Ziel abgehalten hat, vielleicht gar nicht in die Versuchung geraten, Kernwaffen zu entwickeln. Im Falle Südafrikas hatte der Vertrag auch nur eine sehr geringe Auswirkung auf die Entscheidung, im Rahmen der Machtübergabe die gefährlichen Überbleibsel der Apartheid-Regierung und Zusammenarbeit mit Israel, zu vernichten.

Nur zur Klarstellung: Der Atomwaffensperrvertrag wie er heute existiert ist besser als kein Vertrag. Aber die Entstehung und die Durchsetzung ist nicht im Interesse eines fairen Interessenausgleichs, da sich nur die schwächeren Nicht-Kernwaffen-Staaten unterwerfen müssen. Die Kernwaffenstaaten aber nach belieben agieren und auch Nicht-Kernwaffen-Staaten unterstützen (Frankreich z.B. Israel) oder tolerieren (Pakistan, Indien, Israel) anderen dagegen Krieg androhen.

KANN EINE TOTALABRÜSTUNG VON KERNWAFFEN REALISIERT WERDEN?

Ich vertrat die Auffassung, dass nur eine deutliche Abrüstung und ein späterer Totalverzicht von Kernwaffen langfristig die Weiterverbreitung von Kernwaffen verhindern kann. So lange ein Land über Kernwaffen verfügt, und dadurch subjektiv oder objektiv andere Länder erpressen kann, wird es immer Länder geben, die danach streben, dies auszugleichen, indem sie eigene Kernwaffen anschaffen.

Prof. Krause vertrat die Meinung, man müsse realistische Politik betreiben und keine Sonntagsreden halten. Das Ziel wäre nicht zu erreichen.

Darauf antwortete ich nicht mehr, um die Diskussion nicht zu stark zu beeinflussen. Meine Meinung aber ist, dass immer diejenigen Politiker wirkliche Veränderungen in Gang gesetzt hatten, die zunächst in ihren Ländern oder Regionen als Phantasten angesehen worden waren. Sei es Willy Brand, Michail S. Gorbatschow oder Kennedy. Während alle so genannten Realpolitiker beschäftigt waren Kriege zu managen, die Klimaveränderung nicht(!) aufzuhalten und Krankheit und Hunger nicht ernsthaft zu bekämpfen. Ganz zu schweigen von dem sich aufgebauten Problem der Bankenkrise. Aber das ist ein anderes Thema.

Prof. Krause vertrat die Meinung, dass Präsident Obama die totale Abrüstung von Kernwaffen vorgeschlagen hätte. Dass aber auf Grund des Widerstandes insbesondere aus Russland diese Idee nicht verfolgt werden würde. Die nach wie vor existierende Duell-Situation mit Russland wäre eine nicht zu unterschätzende Gefahr. In diesem Zusammenhang verweise ich auf meinen Artikel von gestern (3).

VERZICHT AUF ERSTEINSATZ VON KERNWAFFEN

Während ich die Meinung vertrete, dass China die einzige Kernwaffenmacht ist, die verbindlich erklärt hat, Kernwaffen nicht als erste einzusetzen, wies Prof. Krause darauf hin, dass dies nicht so eindeutig wäre, da China Taiwan als Teil Chinas ansehen würde. Wikipedia und die AG Friedensforschung ist meiner Meinung (2) {Vermutlich basierte sich Prof. Krause auf der Äußerung eines chinesischen Generals, eines bekannten Falken, der erklärt hatte, dass die USA eine Zerstörung ihrer Großstädte befürchten müsse, sollte sie sich in einen Konflikt zwischen China und Taiwan einmischen.}

VORSCHAU AUF TAG 2

Am zweiten Tag soll eine Stellungnahme der Piraten zur Kernwaffenabrüstung erfolgen. Bisher gibt es einen Antragstext von der AG Friedenspolitik, der seit einigen Monaten diskutiert wird und den ich hier schon mal vorstelle:
10 c Rüstungskontrolle AtomKernwaffenabrüstung- und Nichtverbreitung

1) Der Artikel VI NVV (Atomwaffensperrvertrag
Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, NPT) trat 1970 mit dem Ziel in Kraft, Anreize für Nicht-AtomKernwaffen-Mächte zu schaffen, auf die Entwicklung von Kernwaffen zu verzichten. Es ist deutlich geworden, dass dieses Ziel verfehlt wurde. Mit Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea hat sich die Zahl der AtomKernwaffenmächte seit 1970 fast verdoppelt.

2) Obwohl Abrüstungsziele im Atomwaffensperrvertrag Nichtverbreitungsvertrag nicht präzise formuliert wurden, gab es ein Grundsatzurteil (5), deren Verpflichtung bis heute nicht nachgekommen wurde. Statt abzurüsten, wurde modernisiert. Bevor die Kernwaffenstaaten sich nicht an den eigenen Vertrag halten, ist es moralisch unmöglich, andere Staaten zu verurteilen, wenn diese sich nicht an den Vertrag halten wollen, oder aus dem Vertrag ausscheiden. Noch deutlicher wird die Problematik, wenn man berücksichtigt, dass lediglich China und Indien als einzige AtomKernwaffenmächte verbindlich erklärt haben, Atomwaffen Nuklearwaffen, die vom ICJ als illegitime Massenvernichtungswaffen angesehen werden, nicht als erste in einem Krieg einzusetzen.

3) Die Piratenpartei unterstützt die Vereinbarung einer ausgewogenen, deeskalierenden Nuklearwaffenkonvention, die einerseits eine Abrüstung von AtomKernwaffenbesitzern fordert und andererseits die Weiterverbreitung verhindert (6). Eine Nuklearwaffenkonvention (NWK, engl. Nuclear Weapons Convention, NWC) oder AtomKernwaffenkonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag zur vollständigen weltweiten Abrüstung von Kernwaffen und dem Verbot von Entwicklung, Test, Herstellung, Lagerung, Weitergabe, Einsatz und Androhen des Einsatzes. Um eine ausreichende Kontrolle für die verbindlichen Reglungen zu gewährleisten, müssen alle Staaten uneingeschränkt kontrollierbar sein. Dies beinhaltet unangekündigte Vor-Ort-Kontrollen ebenso wie unbehinderte freie Inspektions- und Ermittlungsrechte (siehe auch LQFB Initiative 'Reform des IAEO-Kontrollsystems': (7) )

4) Obgleich ein Zusatzprotokoll des Atomwaffensperrvertrags eine Weitergabe des notwendigen Know-Hows zur Entwicklung von Kernwaffen verbietet, praktiziert die NATO eine „nukleare Teilhabe“ von Nichtatom-Kernwaffen-Staaten wie Deutschland oder auch die Türkei. Die Piratenpartei ist für eine umgehende vollständige Auflösung des von den USA in Deutschland stationierten nuklearen Waffenbestands.

5) Die Piratenpartei wendet sich ausdrücklich gegen Bestrebungen, „kleine“ AtomKernwaffen mit konventionellen Waffen gleich zu setzen, und deren Einsatz anzudrohen. Taktische Nuklearwaffen bleiben weiterhin AtomKernwaffen und sind damit Massenvernichtungswaffen, unabhängig davon, wie scheinbar harmlos sie bezeichnet werden.

6) Die Piratenpartei möchte mehr Anreize schaffen, um Staaten zukünftig von der Entwicklung von AtomKernwaffen abzuhalten. Dies wäre zum Beispiel durch Förderung in Form von Technologien zu regenerativen Energien und der Gewährung von Sicherheitsgarantien denkbar.

(5) Siehe Anmerkung am Ende
(6) http://de.wikipedia.org/wiki/Nuklearwaffenkonvention
(7) https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/2329.html

10 d Rüstungskontrolle Uran-Munition


1) Obwohl die Auswirkungen von Uran-Munition, auch bekannt als "Depleted Uranium" (DU), unter der Bezeichnung "Golfkriegssyndrom" mittlerweile gut dokumentiert wurde, und die langfristigen Auswirkungen auf die Umweltvergiftung der Schlachtfelder nicht mehr bestreitbar erscheint, ist es bis zum jetzigen Zeitpunkt noch zu keinem Verbot dieser Kriegswirkmittel gekommen. Die Piratenpartei fordert deshalb ein internationales Abkommen, welches die Herstellung, Verteilung, Lagerung und den Einsatz von Uranmunition in Kriegs- sowie Friedenszeiten ächtet. Des Weiteren fordern wir, dass Deutschland seinen Einfluss auf die EU Staaten ausübt, ihre Bestände an DU komplett und unwiderruflich aufzulösen. (8)

(8) Quellen: http://www.bandepleteduranium.org/ und http://www.ippnw.de/frieden/uranmunition/artikel/b6a4df4f00/un-abruestungskomitee-verabschiedet.html (Wurde bereits in LQFB positiv und in Übereinstimmung mit dem vorliegenden Antrag behandelt: https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/209.html)
{Änderungen aus Anregungen in der Diskussion am Tag 2}
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(1) http://wiki.piratenpartei.de/AG_Au%C3%9Fenpolitik/AP_RG_Frankfurt

(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Verzicht_auf_den_Ersteinsatz http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Atomwaffen/Atomwaffen-mpi.html

(3) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/08/ist-durch-obama-ein-atomkrieg.html 

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"Es besteht eine völkerrechtliche Verpflichtung, Verhandlungenin redlicher Absicht aufzunehmen und zu einem Abschluss zu bringen, die zu atomarer Abrüstung in allen ihren Apsekten unter strkter und effektiver internationaler Kontrolle führen."

Diese Verpflichtung hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag (IGH) der so genannte Weltgerichtshof, in seinem am 8.7.1996 verkündeten epochalen Rechtsgutachten zur völkerrechtlichen Rechtslage einstimmig festgestellt. Dieses Rechtsgutachten war von der UN-Generalversammlung auf der Grundlage von Art. 96 der UN-Charta beim IGH angefordert worden. Die UN-Generalversammlung hatte sich damit - gegen den erbitterten Widerstand der Kernwaffenstaaten und ihrer Verbündeten - die weltweiten Initiativen von Bürgerbewegungen und NGOs, darunter als Initiatoren dieses "World-Court-Projects" vor allem die IPPNW, die IALANA und das Internationale Friedensbüro, zu eigen gemacht.

(Dokumentationsband IALANA (Hrsg.), Atomwaffen vor dem Internationalen Gerichtshof, LIT-Verlag. Münster, 1996)

Sie auch zur Begründung der Verletzung des NVV durch die Nuklearmächte: http://www.aixpaix.de/atomwaffenfrei/ahrweiler_erklaerung.pdf




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