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Samstag, 15. September 2012

„Nicht über sondern MIT reden" Jörg Tauss

Guten Tag Herr Tauss. Vielen Dank für die Bereitschaft einige Fragen zu beantworten. Und lassen Sie mich sofort voll einsteigen. Im Jahr 2009 hatte sich die Piratenpartei noch eindeutig gegen eine "Schmutzkampagne" der Staatsanwaltschaft in der Verfolgung wegen des Besitzes von Kinderpornografie gegen sie ausgesprochen. Im Oktober 2011 wollte man dann davon nichts mehr wissen und schien in erster Linie an einem ungetrübten Image bei den Wählern interessiert. In den letzten Tagen nun stieß eine Pressemitteilung einen Dolch in den Rücken von Rick Falkvinge, wie einige Kritiker dieser PM sagten, weil dieser eine Überprüfung der Regelungen von Kinderpornografie forderte. Was halten Sie von dieser Entwicklung?

Jörg Tauss: Falkvinge hat sich auch leider etwas unpräzise ausgedrückt. Pornografie mit Kindern ist ein derartiges Tabuthema, dass eine differenzierte Argumentation kaum möglich ist. Und so können Leute, die sich politisch dazu äussern, sofort desavouiert werden. Die Piraten haben es ja bei der Zenursuladebatte selbst bemerkt. Damals waren in der Partei aber Leute am Ruder, die ihre Meinungsbildung nicht an der BILD-Zeitung orientierten. Die heutige Entwicklung ist bedauerlich
Könnten Sie sich vorstellen, noch einmal Mitglied der Piratenpartei zu werden?
Jörg Tauss: 2013 prüfe ich das. Ich hatte einen Mitgliedsantrag gestellt, der von meinen innerparteilichen Gegnern mit fadenscheiniger Begründung und übelster Kinderpornokeule abgelehnt wurde. Denn die fürchten sich allerdings zu Recht. Ich würde die innerparteilichen Fehlentwicklungen sehr pointiert ansprechen. Und Kritik ist ebenso wie Transparenz innerhalb der Partei und eines Teils der Funktionärsschicht zunehmend unerwünscht.
Herr Tauss, als Sie von der Äußerungen des Bundesvorstandes, Bernd Schlömer hinsichtlich einer möglichen Koalition mit der CDU hörten, was dachten Sie in diesem Augenblick?
Jörg Tauss: Herr Schlömer ist eine prinzipienlose Figur, der von der Berliner Truppe um Lauer ins Amt gehoben wurde. Er ist die personifizierte Fehlentwicklung in der Piratenpartei.
Wenn Sie auf 38 Jahre SPD-Mitgliedschaft zurück blicken, und diese Zeit mit dem Verhalten der Piratenpartei vergleichen, welche Ähnlichkeiten und welche gravierenden Unterschiede können Sie erkennen?
Jörg Tauss: Noch immer haben bei den Piraten die Bürgerrechte Vorrang. Siehe Vorratsdatenspeicherung. Deshalb kann ich auch weiter die Piraten wählen, weil allein deren Wahl bei den Etablierten etwas bewirkt. Noch. Aber so langsam macht sich die Partei, ausgehend von Berlin, leider lächerlich und unglaubwürdig. Ich spreche da immer von  Verschlömerung. Und dass führende Leute heute, wie die Etablierten, nach medialer Wirkung schielen und danach ihr Verhalten ausrichten, entsetzt mich.
Wenn ich Ihren Blog lese, bekomme ich das Gefühl, dass Sie die Piratenthemen wie "geistiges Eigentum", Urheberrecht, Freiheit im Internet usw. wirklich verinnerlicht haben, und teilweise pointiertere Positionen vertreten als viele Piraten. Was halten Sie denn von den anderen Positionen der Piraten, z.B. denen zur Außenpolitik oder Wirtschaftspolitik?
Jörg Tauss: Eine Einzelperson kann immer stärker zuspitzen. Dennoch sollte die Schärfe bei den Kernthemen, siehe Urheberrecht, erhalten bleiben. Die Wirtschaftspolitik ist noch immer eine offene Flanke, weil da die Gegensätze in der Partei zwischen neoliberal bis pseudolinks hart aufeinandertreffen. Beispiel ist die Debatte zum bedingungslosen Grundeinkommen. Außenpolitisch sind die Piraten eine globale Bewegung. Ein kürzlich durchgeführter außenpolitischer Kongress verlief sehr gut. Aber auch hier sollte man pointierter die Freiheitsrechte zur Grundlage machen. Blogger und Journalisten werden zunehmend verfolgt. Mir wäre lieb, wenn Menschenrechte das Hauptthema der Piratenaußenpolitik wären.
Wie schätzen Sie die Chancen der Piratenpartei ein, die Wahlerfolge der letzten Landtagswahlen zu wiederholen?
Jörg Tauss: Im Moment eher schwierig, weil sich in der Wählerschaft Enttäuschung breit macht. Das ist für eine Partei, die mit der 5%- Klausel kämpft, lebensgefährlich.
Was raten Sie den Piraten?
Jörg Tauss: Die eigenen Grundsätze innerparteilich zu respektieren. Das würde gegenwärtig schon reichen.
Herr Tauss. Auf Ihrer Internetseite zeigen Sie sich mit Ihrer Frau, wie ich vermute, und einer deutschen Flagge. Haben Sie keine Angst davor, dass die Antideutschen in der Piratenpartei ihre Seite hacken, um die Fahne zu entwenden?
Jörg Tauss: Die Flagge war geliehen. Ich sehe aber keine Antideutschen in der Piratenpartei. Antideutsch wäre so doof wie antieuropäisch, antischwul  oder sonstiges Anti ohne Substanz.
Herzlichen Dank für Ihre Antworten.



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