Dieses Blog durchsuchen

Mittwoch, 30. Januar 2013

Die Landesliste NRW zur BTW 2013

Ich hatte bereits über meine Behauptung, dass die Piratenpartei eine linke Partei ist, gebloggt. Damals hatte ich die ersten 30 Antworten auf meine Kandidatenbefragung ausgewertet. (1) Ein Update der Informationen nach 100 Antworten hat keine wesentliche Veränderung in dem Ergebnis gezeigt. Der nächste logische Schritt war nun zu untersuchen, ob gewählten Spitzenkandidaten, die am Wochenende für die Bundestagsliste NRW nominiert wurden, dem Bild ebenfalls entsprechen.


Die aussichtsreichen Positionen sind die Listenplätze 1 bis 7:
(2)
Melanie Kalkowski (050)
1990
334
319
13
0
43
6,23
1
Udo Vetter (011)
1739
334
321
11
1
58
5,41
2
Thomas Weijers (042)
1481
334
310
21
2
62
4,77
3
Jens Seipenbusch (092)
1456
334
320
13
0
78
4,55
4
Christina Worm (031)
1387
334
308
24
0
79
4,50
5
Markus Kompa (048)
1370
334
313
19
0
68
4,37
6
Andreas Graaf (022)
1332
334
313
20
0
78
4,25
7

Die Auswertung der Antworten der gewählten Kandidaten zeigt folgendes Bild. Dabei geht es mir nicht um eine individuelle Beurteilung. Diese ist nicht einfach, weil natürlich die Fragen, wenn spontan beantwortet, missverstanden werden konnten. Sondern es geht mir um die Darstellung eines Bildes. Womit können wir im Bundestag rechnen, wenn diese Kandidaten einziehen?


FRAGE
JA
NEIN
JA-ABER
NEIN-ABER
NICHT BEANT-WORTET
TOTAL
1
Bist du für freie Marktwirtschaft?

IIIII I


I


Das Bild zeigt ein gutes Verständnis davon, was „Freie Marktwirtschaft“ ist. Nämlich ein theoretisches Modell.

FRAGE
JA
NEIN
JA-ABER
NEIN-ABER
NICHT BEANT-WORTET
TOTAL
2
Bist du für eine solidarische Organisation der Wirtschaft?
II
I
I
I
II


Der Zusammenhang des Begriffes "solidarische Organisation der Wirtschaft" mit dem BGE war erstaunlicherweise selbst bei bekannten Befürwortern des BGE nicht gegeben. Entgegen der Mehrheit in der Partei und der Kandidaten ergibt sich ein unterschiedliches Bild.


FRAGE
JA
NEIN
JA-ABER
NEIN-ABER
NICHT BEANT-WORTET
TOTAL
3
Findest du die derzeitige Verteilung von Vermögen und Einkommen für gerecht?

IIIII II





Auch wenn die Antworten eindeutig scheinen, sollte man sie im Kontext der anderen Antworten gewichten.


FRAGE
JA
NEIN
JA-ABER
NEIN-ABER
NICHT BEANT-WORTET
TOTAL
4
Würdest du dabei mitwirken, die derzeitige Vermögens- und Einkommensverteilung zu verändern?
IIIII I



I


Auch hier scheint sich eine Linke Position durchzusetzen.



FRAGE
JA
NEIN
JA-ABER
NEIN-ABER
NICHT BEANT-WORTET
TOTAL
5
Bist du der Meinung, dass die Kriege der Nato seit dem Jugoslawienkrieg notwendig und richtig waren?

IIII

I
II


Hier zeigt sich, dass es offensichtlich ein Informationsdefizit gibt, oder den Wunsch sich nicht zu strittigen Themen zu äußern. Erfreulich war eine ganz klare Antwort, die sogar noch mal eindeutig machte, dass der Jugoslawienkrieg ein Kriegsverbrechen war. Danke dafür, besonders weil die Antwort von einem Juristen kam.


FRAGE
JA
NEIN
JA-ABER
NEIN-ABER
NICHT BEANT-WORTET
TOTAL
6
Bist du der Meinung, dass sich ALLE Länder einer internationalen Strafgerichtsbarkeit unterwerfen müssen?
IIIII I

I




Hier wieder eine eindeutige Aussage.


FRAGE
JA
NEIN
JA-ABER
NEIN-ABER
NICHT BEANT-WORTET
TOTAL
7
Bist du der Meinung, dass es gerecht ist, wenn eine Altenpflegerin mit einem Einkommen von 2.308 Euro (incl. Weihnachtsgeld) nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben nur noch 1.159 Euro, also  ca. 50% als Nettogehalt erhält, während ein Bankdirektor, der 14.000 Euro im Monat erhält, prozentual und natürlich effektiv ein höheres Nettogehalt bezieht?

II
I

IIII


Aber nun kommen wir zu den konkreten Ausgestaltung, wie die Einkommens- und Vermögensunterschiede ausgeglichen werden sollten. Und da werden die vorher gemachten Äußerungen plötzlich relativiert. Politikersprech? Waschen ja, aber mach mich nicht nass?


FRAGE
JA
NEIN
JA-ABER
NEIN-ABER
NICHT BEANT-WORTET
TOTAL
8
Wirst daran mitwirken, dies zu verändern?
IIIII



II



Auch bei dieser Frage eine höhere Anzahl ausweichender Antworten, als in der großen Gruppe.

FAZIT

Keiner der gewählten Bewerber hatte eindeutig und unmissverständlich klar gemacht, dass er im Falle eines Konfliktes seines Gewissens mit der Meinung der Basis sein Mandat wieder der Partei zurück geben würde. Was schade ist, da sie offensichtlich nicht erkennen, dass es einen großen Unterschied zwischen einem direkt gewählten Abgeordneten, der in erster Linie seinen Wählern gegenüber verantwortlich ist, und einem Listen-Abgeordneten gibt. Letzterer wird durch die Mitglieder der Partei ernannt, als Vertreter der Parteibasis. Und die Wähler haben der Partei, und damit der Parteibasis das Mandat erteilt, Vertreter ins Parlament zu schicken. Ein fundamentaler Unterschied zum Direktwahlmandat.

Eine rudimentäre Analyse der obigen Antworten ergibt darüber hinaus kein eindeutiges Muster. Betrachtet man die einzelnen Persönlichkeiten im Detail, stellt man fest, dass sich ein durchwachsenes Bild ergibt. Zunächst kann man sagen, dass alle gewählten Kandidaten einen soliden bis hervorragenden fachlichen Hintergrund besitzen. Allerdings sind fast die Hälfte der Kandidaten Rechtsanwälte, von denen aber mindestens einer ein klares soziales Engagement und deutliche rechtliche Beurteilung der Kriege mit deutscher Beteiligung äußerte. Während zwei andere Kandidaten eher im Geist von Beamten bzw. Verwaltungsangestellten argumentieren.

Die vom beruflichen Hintergrund eher konventionelle Zusammensetzung entspricht ungefähr dem Durchschnitt unserer Abgeordneten im Parlament. Ebenso entspricht dem üblichen Profil, dass vorwiegend (nicht ausschließlich) solche Kandidaten gewählt wurden, die sich eher zurückhaltend bei innerparteilichen Auseinandersetzungen gezeigt hatten. Was einerseits dem Harmoniewunsch der Mehrheit der Mitglieder entsprechen dürfte, aber andererseits verhindern könnte, dass sich wirklich innovative Ideen und Pläne bis in die Piratenfraktion durchsetzen können. Sowohl berufliche Hintergründe und persönliche Präferenzen der Mehrheit der möglichen Fraktion sprechen dagegen, als auch deren bisherige programmatische Arbeit.

Als Spitzenkandidatin wurde eine Finanzbeamtin mit zweifellos guten und richtigen Vorstellungen, aber ohne wirklich progressive soziale Visionen gewählt, auf Listenplatz zwei ein populärer und beruflich profilierter, eher liberal- konservativer Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Netzpolitik und Bürgerrechte. Auf Platz drei ein Vertreter der Glaubensrichtung, die mit der festen Überzeugung des absolutistischen Rechthabens behaupten, dass sie diejenigen ist, die im Besitz der einzigen Wahrheit ist, die da besagt, dass alles rational erfasst werden kann, insbesondere die Heilung von Krankheiten. Rationalität mit religiösem Eifer vorgebracht. Damit soll aber die Betrachtung von Strömungen auch schon wieder beendet werden.

Ich denke es hätte der Partei gut getan, wenn auch entschlossene und gerne auch umstrittene Vertreter echter progressiver sozialer Reformen unter die ersten 7 gekommen wären. Gleiches gilt für andere Politikzweige wie z.B. Geldpolitik oder Außenpolitik. Aber so mutig waren die Piraten dann wohl doch nicht. Und so droht das Profil der Piraten leider weiter zu verwässern. Nicht zuletzt auch auf Grund der Tatsache, dass ein Vertreter der "Kernis" unter die ersten 7 gewählt wurden, der noch dazu seinen eigentlichen Schwerpunkt nach eigener Aussage in der Europapolitik sieht. Kernis sind jene, die einfach nicht wahrhaben wollen, dass Themen wie "freies Internet" längst in der Allgemeinpolitik angekommen sind, aber letztlich für die Masse der Wähler nur von untergeordneter Bedeutung sind.

Kernis vertreten die Auffassung, dass der Erfolg der Piratenpartei der Konzentration auf Netzthemen zu verdanken wäre. Ein Irrglaube, wie nicht nur Umfragen der Konrad Adenauer Stiftung ganz deutlich zeigen. Vielmehr war der zeitweilige Erfolg begründet in der Tatsache, dass die vom Mainstream enttäuschten Wähler ihre Ideen und Vorstellungen in eine Partei spiegeln konnten, die selbst noch kein Profil entwickelt hatte. Nachdem aber immer deutlicher wird, dass den Mitgliedern der Mut fehlt, echte progressive Politik zu entwickeln, wandten sie sich, nun auch enttäuscht von den Piraten, wieder ab.

Ich darf daran erinnern, dass die Piratenpartei Schweden, weil sie sich fast ausschließlich auf das Thema Europa und digitale Revolution konzentriert hatte, heute nicht einmal mehr unter den Parteien sind, die unter "Sonstige" namentlich erwähnt werden.

Aber wie wir wissen, wachsen die meisten Menschen mit ihren Aufgaben und in ihren Ämtern und Mandaten. Wünschen wir den Kandidaten und auch der Partei Glück und ein glückliches Händchen bei zukünftigen Entscheidungen.
------------------------

(1) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2013/01/ist-die-piratenpartei-links-liberal.html

(2) http://wiki.piratenpartei.de/NRW:Landesparteitag_2013.1/Ergebnisse

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen