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Dienstag, 14. April 2015

US Journalistenlegende zur Ukraine-Berichterstattung

Robert Parry
Quelle: Screenshot YouTube-Video
Robert Parry ist einer der bekanntesten US-amerikanischen investigativen Journalisten. In einer Rede vor dem US-Russia Forum in Washington DC, rechnet er mit der derzeitigen Medien-Berichterstattung, über die Ukraine, gegen den Strom schwimmend, ab. Die Rede zeigt, dass nicht nur Deutschland ein Problem mit den Medien hat, sondern auch, und besonders, die USA. Aber wenn wir uns die Statistik vor Augen halten, in der die Berichterstattung der USA noch Russland gegenüber noch weniger feindlich eingestellt zu sein scheint, als in Deutschland, sollte uns die Rede wirklich aufrütteln. Hier ein Transkript seiner Rede ins Deutsche:


Quelle: Russia-direct.org



"[Vorstellung:] Robert Parry hat mir einen sehr bescheidenen Lebenslauf geschickt. Er hat einige der wichtigsten Stories in der Geschichte dieses Landes gebracht. Z.B. die Iran-Contra-Story für Associated Press und Newsweek in den 1980er Jahren. Er ist seit vielen Jahren investigativer Journalist. 1995 gründete er das erste internetbasierte investigative Magazin https://consortiumnews.com/. Sein neuestes Buch heißt: Amerikas gestohlene Geschichte, von Washington und Madison bis Nixon und Reagon und den Bushes zu Obama.

[
Rede Robert Parry:] Vielen Dank für diese Vorstellung. Ich sollte vielleicht damit beginnen, zu sagen, dass ich seit 1977 Journalist in dieser Stadt bin. Ich habe für AP und Newsweek und das Fernsehmagazin Frontline gearbeitet. Ich habe consortiumnews als investigative Webseite gegründet. Und ich muss sagen, dass in all diesen Jahren, kann ich mich nicht an eine Zeit erinnern, indem das Denken so gleich geschaltet war, wie im letzten Jahr, oder länger, die Ukraine Krise betreffend. Das soll nicht heißen, dass es vorher kein ziemlich schlimmes oder destruktives Gruppendenken gab, aber ich habe einfach noch nie einen Moment gesehen, in dem so wenig, zu so wichtigen Themen hinterfragt wird, wie, ob es einen 2. Kalten Krieg gibt, ob es eine mögliche nukleare Konfrontation zwischen den USA und Russland gibt, die unfassbarer Weise, alles Leben auf diesem Planeten zerstören könnte.

Das Versagen der "Qualitätsmedien"

Es gab eine nachlässige Haltung, und nicht nur da, wo man sie erwarten kann, wie in einigen TV-Shows, man sah sie auch im Herzstück angesehener Nachrichtenorganisationen in den USA, ganz besonders bei der New York Times, der Washington Post, und anderen.

Wie ich bereits sagte, kam ich 1977 nach Washington, das war eine Zeit, in der, nun es ist schwer, es ein goldenes Zeitalter des amerikanischen Journalismus zu nennen, aber es war eine Zeit, in der die amerikanische Presse harte Fragen stellte, und von der Regierung keine einfachen Antworten akzeptierte. Als die Presse viele Lügen der Regierung offen legte, seien es die Pentagon-Papiere, oder die Veröffentlichung der geheimen Geschichte des Vietnamkrieges, sei es die Nichtakzeptanz von Nixons blasierter Erklärung, für den Watergate-Einbruch, oder das Vordringen in die Geheimnisse des CIA, des so genannten Famlienschmucks.

Wir haben also gesehen, wie die amerikanische Presse arbeiten kann, und wie es sich unsere Gründungsväter vorgestellt hatten. Das soll nicht heißen, dass alles perfekt war, weit gefehlt. Aber es war eine Zeit, in der die Presse ihre grundlegende Verantwortung gegenüber der Bevölkerung verstanden hatte. Und diese implizite Vereinbarung, aus dem ersten Zusatzartikel der Verfassung, dass es unser Job ist, diese Art von Fragen zu stellen, selbst wenn man uns dafür nicht mag, oder uns beschimpft, ist noch immer unsere Arbeit.

Die andere Seite der Geschichte

Und es gibt auch diese Idee, die ich bei AP und anderswo gelernt hatte: dass eine Geschichte für gewöhnlich zwei Seiten hat. Dass man nicht annehmen darf, dass eine Seite die ganze Wahrheit sagt, und die andere Seite nur lügt. Ich sage nicht, dass das nie passiert. Aber in meiner Erfahrung kann ich sagen, gibt es fast immer eine zweite Seite der Geschichte, etwas, das Journalisten wissen wollten, sollten.

Ich habe einige der widerwärtigsten Leute der Welt interviewt, als ich für AP und Newsweek arbeitete. Ich habe Zeit mit Dobesan verbracht, einem der Köpfe der Todesschwadronen in El-Salvador. Mein Job war es nicht, ihn zu verurteilen, mein Job war, herauszufinden, wie er tickte.

Was wir in der jetzigen Ära verloren zu haben scheinen, wenn wir zur Situation in der Ukraine kommen, ist, dass es von Anfang an einseitig präsentiert wurde. Dass die Anti-Janukowitsch-Kräfte alle ehrlich, ehrenhaft und anständig waren, während die Leute auf der Janukowitsch-Seite böse, korrupt, verdorben waren, und gestürzt werden mussten. Es war alles einfach Schwarz-Weiß. Fast wie in einem Cartoon. Aber so ist die Welt nun mal nicht. Als ich anfing, dies zu erkennen, war ich überrascht, dass das selbst geschah, nach dem gleich geschalteten Denken um die Massenvernichtungswaffen im Irak, wo es wenigstens einige Stimmen gab, die sagten, dass die Informationen nicht so gut waren, dass wir genauer hinsehen sollten, und das, obwohl die großen Nachrichtendienste das amerikanische Volk schwer enttäuschten, und besonders die amerikanischen Soldaten im Stich ließen, die dort hin geschickt wurden, um einen Krieg wegen falscher Behauptungen zu führen. 4500 von ihnen sind nicht lebend zurück gekehrt. Viele kamen schwer verletzt wieder.Und das amerikanische Volk hat dafür eine Billion US-Dollar oder so ausgegeben. 

Die Ukraine-Berichterstattung  am Beispiel MH17

Aber kommen wir zum Thema Ukraine, und ich sehe im Prinzip genau das Gleiche, sogar noch mehr von dieser Sackgasse. Und wohin das geführt hat, ist das Versagen schwierige Fragen zu stellen, und von der US-Regierung Antworten zu verlangen. Ich weiß, ich habe nur ein paar Minuten ...

Es gibt z.B. den Fall der Malaysia Airlines Flug MH17, die am 17. Juli letzten Jahres abgeschossen wurde. Offensichtlich hatten diverse Leute sogleich ihre Vermutungen darüber, was passiert war, und wer es getan hatte. Aber wir wussten es nicht. Es war sehr interessant, denn die sofortige Folgerung war, dass die pro-russischen, diese ethnischen Russen im Osten der Ukraine, sie abgeschossen hätten, mit einer modernen Waffe, die sie von der Russischen Regierung bekommen haben. Von Leuten aus der amerikanischen Geheimdienstspähre wurde mir sehr bald gesagt, dass es andere Aspekte gab, die nicht ernst genug genommen wurden. Aber man hat schnell geurteilt. John Kerry hat innerhalb von 3 Tagen, in allen Talk-Shows am Sonntag Morgen, im Prinzip gesagt, die ethnischen Russen-Rebellen waren es, und die russische Regierung war Komplize.

Ich fürchtete irgendwie, dass die US-Geheimdienst-Gemeinde das unterschiedlich einordnen würde. Sie hatten immer noch keine Gelegenheit gehabt, die Beweise zu bewerten. Am 22. Juli, fünf Tage nach dem Ereignis, hat der Chef des Inlandsgeheimdienstes, ein kleines Weißbuch veröffentlicht, sehr vage, und auf Einträgen in sozialen Netzwerken basierend. In dem er auch mit dem Finger auf die Rebellen zeigte, und die Russen beschuldigte. Aber das war nicht sehr überzeugend, viele Dinge wurden offen gelassen. Und aus Geheimdienstkreisen höre ich weiterhin, dass sie zu anderen Ergebnissen kommen, anderen Menschen, anderen Verdächtigen.

Und für mich wirklich verblüffend wurde, dass an diesem Punkt, an dem 298 Menschen umgebracht worden waren, also ein ernsthaftes Verbrechen begangen worden war, die US-Regierung im Grunde genommen ... still war. Sie verfolgte das Thema nicht weiter. Zumindest nicht öffentlich. Privat wurde mir gesagt, dass in der Geheimdienstwelt große Fortschritte gemacht worden wären. Aber diese Ergebnisse der Untersuchung eines ernsten Verbrechens, wurden den Amerikanern, der Weltöffentlichkeit, und den Ermittlern, NICHT mitgeteilt.

Die stellvertretende Außenministerin Victoria Nuland, sagte in der letzten Woche vor dem Kongress aus, und behauptete erneut, die Russen wären verantwortlich. Ich habe versucht, das Außenministerium zu kontaktieren, aber sie haben nicht geantwortet. Ich kontaktierte die CIA, sie sagten mir, wenden Sie sich an den Chef des Inlandsgeheimdienstes, den DNI. Ich schickte eine E-Mail an den DNI, und er schrieb mir sehr höflich zurück, und sagte, hier ist unser neuestes diesbezügliches Ergebnis. Es war der Bericht vom 22. Juli 2014, den sie 5 Tage nach dem Vorfall heraus gebracht hatten. Es war unglaublich, das ist keine glaubwürdige Antwort.

Wir wissen, dass die US-Regierung mit ihrem Geheimdienstapparat weit mehr über dieses Verbrechen weiß, aber aus irgendwelchen Gründen hält sie diese Informationen zurück, und es ist die Aufgabe der amerikanischen Presse, oder sie sollte es zumindest sein, die US-Regierung deshalb unter Druck zu setzen. Nicht einfach glauben, mit dem Strom schwimmen, und akzeptieren, was in den ersten Tagen, nach diesem schrecklichen Vorfall, geglaubt wurde. Sondern sie sollte herausfinden, was die US-Regierung weiß, und warum sie nicht dabei hilft, die Verantwortlichen der Gerechtigkeit zu übergeben.

Es gibt eine ganze Anzahl solcher Probleme, die das Ukraine-Thema beinhalten, und die amerikanische Presse hat ganz einfach nicht ihre Arbeit getan. Sie hat keine Fragen gestellt, sondern einfach nur als Propagandaorgan agiert. Das Außenministerium oder die amerikanische Botschaft in Kiew geben Material heraus, und die amerikanische Presse veröffentlicht es. Und so sollte es eigentlich nicht sein, und ehrlich gesagt war es auch nicht immer so.

Wie ich sagte, gab es kein goldenes Zeitalter der amerikanischen Presse, aber es gab eine Zeit, als wir unsere Arbeit tatsächlich besser machten, als wir das heute tun. Und ein Thema wie dieses, mit dem Potential einer Konfrontation, die einer unserer Autoren, William Poke, als eine Kuba-Krise mit umgekehrter Reihenfolge beschreibt, und Mr. Poke weiß, wovon er spricht, denn er war einer von John Kennedys Diplomaten, der die Kuba-Krise in den 1960er Jahren handhabte. Er weiß, dies hat das Potential für eine ernsthafte Konfrontation zwischen zwei Atommächten.

Und wenn unser Leben, und das Leben unserer Kinder und Enkel, auf solche Weise riskiert werden, dann sollte man zumindest denken, dass die New York Times, die Washington Post, und der ganze große Rest der amerikanischen Medien, ihre Arbeit tun, und nicht einfach akzeptieren, was immer ihnen die US-Regierung erzählt, sondern auf echte Antworten drängen, Fragen stellen, und auf eine Weise handeln, die unseren Gründungsvätern gefallen hätte.

Vielen Dank..."
Die Rede kann man HIER im Original verfolgen.

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