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Samstag, 21. Februar 2015

AA erklärt Bundestag Politik: Zu 4.,5.,6

UPDATE: Die Junge Welt hat dankenswerterweise die Argumentationshilfe des Auswärtigen Amtes für die Abgeordneten des deutschen Bundestages im Wortlaut veröffentlicht. Eine bessere Möglichkeit, als das offizielle Narrativ der deutschen Regierungspolitik, in Hinsicht auf die Ukraine, vorzuführen, gibt es nicht. Das kann sich die Internetgemeinde natürlich nicht entgehen lassen. Hier meine Antwort auf die 4. Behauptung.

"4. Behauptung: In der Ukraine werden ethnische Russen/Russischsprachige diskriminiert und unterdrückt. Russen in der Ukraine haben Russland daher um Schutz/Unterstützung gebeten.

Richtig ist: Einschlägige internationale Organisation wie z. B. das IKRK haben von Russland behauptete Gefährdungssituationen oder Opfer auf seiten der russischsprachigen Minderheit nicht bestätigen können. Auch die OSZE-Beobachtermission hat keine Bedrohung der russischsprachigen Minderheit feststellen können. Der Sondergesandte der VN, Šimonović, konstatierte in seiner Unterrichtung am 19.03.2014 im VN-SR [d. i. der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen; jW], dass trotz einzelner Vorfälle k e i n e systematische und umfassende Verletzung der Rechte der russischen Minderheit in der UKR vorliege.

Auch der ukrainische Parlamentsbeschluss vom 23.2.2014 zur Aufhebung des Sprachengesetzes von 2012, das weitgehende Anwendungsmöglichkeiten für Minderheitensprachen wie das Russische auch im öffentlichen, kulturellen und schulischen Bereich festschreibt, hat die Rechte der russischen Minderheit nicht eingeschränkt, da er nie in Kraft gesetzt und später zurückgenommen wurde. Eine repräsentative Umfrage (Gallup) von Mitte März 2014 unter 1.200 Ukrainern hat ergeben, dass sich auch unter der russischsprachigen Bevölkerung nur eine Minderheit aufgrund ihrer Sprache bedroht fühlt. 66 Prozent fühlen dagegen gar keine (49 Prozent) oder eher keine (17 Prozent) Bedrohung.

Im übrigen: Selbst wenn die Lage der ethnisch/kulturell/sprachlich russischen Gruppe in der Ukraine problematisch wäre, gäbe dies Russland immer noch kein Recht zur bewaffneten Intervention. Es gibt i.ü. umgekehrt seit der völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland ernste Sorgen um Minderheiten und politische Oppositionelle auf der Krim (Berichte des UN- ASG [Generalsekretär-Assistent für Menschenrechte; jW] für Menschenrechte Šimonović und der OSZE-Minderheiten-Hochkommissarin Thors)."
Im ersten Absatz der Erwiderung schreibt das Außenministerium: "dass trotz einzelner Vorfälle k e i n e systematische und umfassende Verletzung" Also nochmal: Es sind Vorfälle vorgekommen, dass Menschen ermordet, verfolgt, wurden, aber das waren Einzelfälle. Und es gab ZU DIESEM ZEITPUNKT (von mir hinzugefügt) keine SYSTEMATSICHE und UMFASSENDE Verletzung. Also beide Bedingungen zusammen hätten erfüllt sein sollen? Systematisch UND Umfassend? Ich denke, dann wäre es längst zu spät gewesen, etwas zu unternehmen, oder?

Die systematische Vernichtung von antifaschistischen Denkmälern im Westen der Ukraine, das Wiederaufleben des Banderismus, hatten die Bürger der Krim nicht allen Grund, ängstlich zu sein? Und schließlich, wenn die Putschregierung als allerersten Gesetzentwurf, den über das Verbot der russischen Sprache diskutierte, egal ob der Gesetzentwurf angenommen wurde oder nicht, wie wirkt das auf die Bürger der Krim?

Und der Leser möge sich die Entwicklung im Osten der Ukraine vor Augen halten. Als dort eine große Mehrheit der Bevölkerung, Autonomie oder Föderalismus forderte, antwortete Kiew mit einer Invasion. War also die Angst der Krimbevölkerung nicht doch begründet, wenn man heute die von Kiew zerbombten Städte sieht, die Verwendung von geächteten Waffen gegen die eigene Bevölkerung?

Aber spielt das eine Rolle? Wenn ein Volk sich entscheidet, den Weg alleine zu gehen, und sich von einem Land, in dem ein Regime herrscht, das durch einen Putsch an die Macht gekommen war, zu trennen, spielen da die Gründe eine Rolle? Jedenfalls sieht die Menschenrechtskonvention keine "Begründung" für eine Sezession vor.

UPGRADE:
http://russian.rt.com/inotv/2015-02-01/Obama-Voennij-konflikt-mezhdu-SSHA

UPGRADE Ende

WAR SEZESSION EINE ANNEXION?


Im letzten Absatz der Argumentation des Außenministeriums wird der Eindruck erweckt, Russland hätte "interveniert", weiter gedacht, die Krim annektiert. So die offizielle deutsche Politik. In den Chor stimmen natürlich alle NATO-Länder und -Medien ein. Nun, nicht alle. Es gibt selbst innerhalb der NATO sehr fundierte Meinungen, die eben die Sezession der Krim, und den Beitritt zur Russischen Föderation, NICHT als illegale Annektion ansehen.

Einer der ersten mutigen Juristen, die gegen die offizielle Linie aufbegehrten, kam sogar in der FAZ zu Wort:
"Hat Russland die Krim annektiert? Nein. Waren das Referendum auf der Krim und deren Abspaltung von der Ukraine völkerrechtswidrig? Nein. Waren sie also rechtens? Nein; sie verstießen gegen die ukrainische Verfassung (aber das ist keine Frage des Völkerrechts). Hätte aber Russland wegen dieser Verfassungswidrigkeit den Beitritt der Krim nicht ablehnen müssen? Nein; die ukrainische Verfassung bindet Russland nicht. War dessen Handeln also völkerrechtsgemäß? Nein; jedenfalls seine militärische Präsenz auf der Krim außerhalb seiner Pachtgebiete dort war völkerrechtswidrig. Folgt daraus nicht, dass die von dieser Militärpräsenz erst möglich gemachte Abspaltung der Krim null und nichtig war und somit deren nachfolgender Beitritt zu Russland doch nichts anderes als eine maskierte Annexion? Nein."
So die Kurzfassung. Wer die Begründung lesen will, mag sich an den Link wenden.

Auch die Direktorin des Max-Planck-Instituts für Völkerrecht in Heidelberg, Anne Peters, vertritt, wenn auch unbewusst, die Auffassung, dass es sich NICHT um eine völkerrechtswidrige Annexion der Krim gehandelt hatte . 
"Entscheidend ist aber ihre abschließende Argumentation. Diese läuft darauf hinaus, dass es eben keine "völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland" gab. Frau Professor Peters argumentiert: Wenn der damalige ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch verfassungswidrig abgesetzt worden wäre, dann wäre die Abspaltung der Krim-Halbinsel keine völkerrechtswidrige Annexion."
Wird jetzt auch klar, warum die deutsche Bundesregierung so bemüht ist, den Putsch als verfassungsmäßig darzustellen?

Prof. Schachtschneider schreibt in einem längeren Artikel zu dem Thema:
"Das Selbstbestimmungsrecht der Bürger der Krim kann durch völkerrechtliche Verträge oder die Verfassung der Ukraine nicht aufgehoben werden. Die Krim hatte und hat als autonome Republik jedes Recht, einen eigenen Weg zu gehen und sich von der Ukraine zu separieren. Die Hilfestellung Rußlands beim Sezessionsprozeß der Krim war verhältnismäßig und kein Verstoß gegen das Völkerrecht."
Wer diese Aussage bezweifelt, sieht nicht das Volk als Souverän an, sondern behauptet, ein Staat würde ein Volk besitzen.

Aber natürlich gibt es, ähnlich wie im traurigen Fall des deutschen Grundgesetzes, eine Aushöhlung der Menschenrechtskonvention durch "Kommissionen" und Machtausübung. Deshalb werden sich Gründe finden, die man anführen kann, dass der Anschluss der Krim an Russland völkerrechtlich illegal wäre.

Hans-Joachim Heintze, versucht auf 10 Seiten nachzuweisen, dass der Anschluss der Krim an Russland völkerrechtswidrig ist. Aber selbst wenn solche juristischen Spitzfindigkeiten, die letztendlich die Menschenrechte aushebeln, zur Norm werden sollen, können sie doch keinen Wirtschaftskrieg gegen den angeblichen Aggressor rechtfertigen. Heintze schreibt am Ende:
" Da sich die Ukraine gegenwärtig in einem Prozess des Zerfalls der Staatlichkeit und enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten gegenüber sieht, bedarf sie in den Verhandlungen der Unterstützung westlicher Staaten, die zugleich als Garantiemächte für die Einhaltung des zu erreichenden völkerrechtlich abgesicherten Status der Krim fungieren müssten. Dies entspricht der Aufforderung der Resolution 68/262, sofort auf die friedliche Beilegung der Situation in Bezug auf die Ukraine auf dem Wege eines direkten politischen Dialogs hinzuarbeiten, Zurückhaltung zu üben, alle einseitigen Handlungen und hetzerische Rhetorik, die die Spannungen verschärfen könnten, zu unterlassen und sich bei den internationalen Vermittlungsbemühungen voll zu engagieren."
Mit anderen Worten: Einen Wirtschaftskrieg durch Sanktionen zu entfesseln, ist das Gegenteil dessen, was völkerrechtlich angesagt wäre.

Im letzten Absatz wird der Eindruck vermittelt, Russland hätte auf der Krim eine bewaffnete Intervention gestartet.

Da die Punkte 5 und 6 sehr eng mit diesem Themenkreis zusammen hängen, will ich sie in einem Artikel besprechen. 
"5. Behauptung: Die Krim war immer »russisch«.

Richtig ist: Die Krim hat eine überaus wechselvolle Siedlungsgeschichte. Im Altertum siedelten dort Kimmerer, Taurer und später Griechen, im Zuge der Völkerwanderung kamen im 3. Jahrhundert Goten auf die Krim. Ihnen folgten ab dem 5. Jahrhundert Hunnen, Chasaren, Kumanen und Tataren. Nach der Mongolenherrschaft gehörte die Krim dann bis 1744 zum Osmanischen Reich, das ihr infolge des sechsten Russisch-Türkischen Krieges die Unabhängigkeit gewähren musste. Das Russische Reich hat die Halbinsel daraufhin 1783 annektiert. Nach der Verdrängung der turkstämmigen Bevölkerung wurde die Halbinsel mit russischen, aber auch deutschen, griechischen, bulgarischen und baltischen Bauern besiedelt.

Nach dem Zusammenbruch des Zarenreiches kam die Krim 1917 zur Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik und wurde mit dieser 1922 Teil der Sowjetunion, bevor sie 1954 innerhalb der Sowjetunion an die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik übertragen wurde. Entscheidend aber: Nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 blieb sie Teil der nun unabhängigen Ukraine, deren territoriale Unversehrtheit auch Russland nicht zuletzt im Budapester Memorandum von 1994 explizit zugesichert hat (Abgabe von Atomwaffen gegen Garantie territorialer Unversehrtheit und freier wirtschaftlicher Entwicklung durch RUS, USA, GBR)."
Für mich spielt diese Frage keine Rolle. Weil jedes Volk zu jedem Zeitpunkt seine eigene Entscheidung treffen können muss, wie es sein Schicksal gestalten will. Und natürlich kann sich die Meinung im Laufe der Zeit ändern. Aber die Siedlungsgeschichte des Altertums als Beleg anzuführen, dass die Krim keine russische Geschichte hätte, ist ein bisschen lächerlich.

Wenn man über ein geschichtliches Bewusstsein spricht, ist zweifellos das eindringlichste, der Widerstand Russlands gegen die Naziarmeen.  Im 2. Weltkrieg wurde Sebastopol, die als die stärkste Festung der Welt galt, nach schweren Kämpfen 1942 durch Nazi-Deutschland erobert. Russland führte dann aber vom 8. April bis 12. Mai 1944 einen Gegenangriff aus, und eroberte die Krim zurück. Wer sich mit Krim-Bewohnern unterhält, aber auch mit Russen in Moskau, wird diese Schlachten immer wieder als Beweis hören, dass die Krim russisch ist und russisch bleiben wird. Das Blut, das in diesen Kriegen um die Krim vergossen wurde, hat sich tief in das Bewusstsein Russlands eingegraben. 

"6. Behauptung: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker und das Referendum legitimieren die Abspaltung und Eingliederung der Krim und Sewastopols in die Russische Föderation.

Richtig ist: Ob das Selbstbestimmungsrecht der Völker auch ein Recht auf Sezession umfasst, ist ebenso umstritten wie die Frage, was ein »Volk« ist. Darauf kommt es hier aber gar nicht an, denn die völkerrechtswidrige russische Intervention hat die Abspaltung der Krim in jedem Falle völkerrechtswidrig gemacht. Sie stellte einen Verstoß gegen das Verbot von Androhung oder Anwendung von Gewalt in den zwischenstaatlichen Beziehungen nach Art. 2 (4) VN- Charta dar und verletzt die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine. Wegen der völkerrechtswidrigen Anwendung von Gewalt sind auch die dadurch erst ermöglichte Sezession der Krim von der Ukraine und ihr nachfolgender Anschluss an Russland völkerrechtswidrig.

Dass es vorher ein – verfassungswidriges – Referendum auf der Krim gegeben hat, ändert hieran nichts, zumal auch dieses Referendum erst durch die völkerrechtswidrige Intervention Russlands überhaupt möglich wurde und in ihrem Schatten stattfand."
Das Außenministerium beginnt seine Begründung also mit dem grundsätzlichen Infragestellen des Selbstbestimmungsrechtes und des Begriffs "Volk".  Etwas heikel, geht man davon aus, dass Deutschland eine Demokratie sein soll, das Volk der Souverän, und Deutschland die Menschenrechtscharta ratifiziert hat. Dann sagt der Text aber, dass es darauf gar nicht ankäme, denn die "Intervention" und die Anwendung von "Gewalt" wäre völkerrechtswidrig gewesen.

Zu bemerken ist, dass die so genannte Intervention von sowieso auf der Krim stationierter, als nicht von außen eingedrungener Soldaten, gerade "GEWALT" verhindert hat. Es viel kein Schuss. Und dies wegen der Präsenz der Soldaten, die eben die Sicherheit bot, die offensichtlich eine Putschregierung nicht in der Lage war zu bieten.

Insofern kann man diese Art von Gewalt, nämlich Gewalt zu verhindern, um dem Volk zu ermöglichen, seinen Willen zum Ausdruck zu bringen, getrost als durch Nothilfe bezeichnen.

Niemand zweifelt heute daran, dass das Referendum auf der Krim, den eindeutigen Willen der Menschen zum Ausdruck brachte. Selbst eine Umfrage der GfK im Februar 2015, spricht von 93% Zustimmung zum Anschluss der Krim an Russland. Jeder Demokrat sollte zufrieden sein, dass hier endlich einmal die Menschen selbst über ihr Schicksal bestimmen konnten. Aber die Bundesregierung will das nicht akzeptieren. Sie führt einen Wirtschaftskrieg. Damit führt sie auch einen Wirtschaftskrieg gegen die Menschen, die sich für die Selbstbestimmung entschieden haben.

UPDATE:

Noch eine Korrektur, Sewastopol gehörte nie zur Ukraine. Auch nachdem die Krim 1954 der Ukraine zugeschlagen wurde. Wurde Sewastopol direkt von Moskau verwaltet, weil eine geschlossene Militär-Stadt war und verblieb damit in Russland.
Auch in Ukas von Chruschtschow wurde Sewastopol nicht erwähnt.
Die Krim wurde aus wirtschaftlichen Überlegung zugeschlagen, weil man hat einen Kanal gegraben und wegen bürokratischen Schwierigkeiten bei der Verwaltung des Projekts, hat man Chruschtschow vorgeschlagen die Krim und die Ukraine zu vereinen.
Das Russische Parlament hat in Juli 1993 die Schenkung als widrig erklärt und Sewastopol als russische Stadt, die weiterhin in Russland verbleiben soll. In Oktober 1993 wurde das Parlament gewaltsam abgesetzt. 140 Menschen wurden getötet.
Zitat aus http://www.eser-ddr.de/Buecher&Notizen/Moskau1993-Krim2014.htm:
“Ich habe mit eigenen Augen eine Mitschrift eines (abgehörten)Telefonats von Helmut KOHL (damals Bundeskanzler der BRD) mit Clinton gelesen. Kohl bedrängte den US- Präsidenten , dass das russische Parlament den Jelzin stört. Mit Jelzin gebe es volle Übereinstimmung, er erfülle widerstandslos alle unsere Bitten. Aber das Parlament ist “nationalistisch” ( man beachte- nicht etwa kommunistisch) . Also müssen wir , so sprach man, Jelzin helfen , das Parlament los zu werden. Clinton stimmte dem damals zu. Der Westen half dabei, dass Jelzin Gewalt anwendete.«Kohl hat also Clinton überredet , Jelzin zu helfen, das Parlament zu vernichten” .
Und 1994 hat Jelzin dann das Memorandum unterschrieben.
Quelle:  https://propagandaschau.wordpress.com/2015/02/20/staatspropaganda-auswartiges-amt-veroffentlicht-argumentationshilfen/

UPDATE Ende

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